Gute Nacht, liebe Angst

von Julia Dankers

Klappentext:
Hamburg in der Nacht zum ersten Mai. Riots, Love und die bunten Lichter der Großstadt wechseln sich ab. Emotionen entgleisen, Regionalzüge fallen aus.

Am Hauptbahnhof treffen vier fremde Frauen aufeinander und beschließen, die Nacht gemeinsam auf dem Kiez zu überbrücken. Bis dahin gut gehütete Geheimnisse kommen nach und nach zu Tage. Gegenseitig motivieren sich Leonie, Mila, Chris und Lotte, den Dämonen ihrer Vergangenheit entgegenzutreten und sich mit ihnen zu versöhnen.

Kann man innerhalb einer Nacht Freundschaft schließen? Wer von ihnen wird die Liebe finden?

Cover: © Marta Jakubowska, Main Verlag unter Verwendung eines Motives von © shutterstock 1110817982
Bild: © Buchsüchtig

Meine Meinung:
Am Anfang bin ich leider beim Lesen etwas gestolpert, denn ich kann mir nicht erklären, wie sich ein Iro und ausrasierte Haare weich anfühlen sollen. Meiner Erfahrung nach ist ersterer hart und zweitere sind stoppelig und piksig. Auch verwirrte mich, dass schon der Fahrtwind eines einfahrenden Zuges diesen Iro in „plattgedrückte Wuschelhaare“ verwandelt. Normalerweise steht so ein Iro wie ne Eins und wird nicht von etwas Wind völlig aufgelöst und in seiner Struktur zerstört. Wenig später wird erwähnt, wie eine Frau zwar beide Hände in die Hüften stemmt, es dabei aber schafft in ihr Handy zu keifen. Nicht in ein Headset, das hätte ich verstanden, sondern in ihr Handy. Eine akrobatische Meisterleistung, die ich mir nicht erklären kann, denn es wird nirgendwo erwähnt, dass die betreffende Dame über mindestens drei Arme verfügt oder sich betreffendes Handy irgendwie zwischen Kopf und Schulter geklemmt hat. Ich wusste an diesem Punkt ehrlich nicht, ob ich lachen oder das Buch abbrechen soll. Da war ich gerade auf Seite 8…

Ich habe mich dann für das Weiterlesen entschieden und das war auch gut so, denn Leonie, Mila, Chris und Lotte waren so herrlich gegensätzlich, dass es mit ihnen nicht langweilig wurde und ich gerne mehr über sie erfahren wollte. Ganz langsam und behutsam wurden die Geschichten der Frauen erzählt und ich hatte bei keiner das Gefühl, dass es nicht ganz genauso abgelaufen sein könnte. Sie sind unendlich menschlich, haben Fehler, Macken, Schwächen, Stärken und vor allem Charakter. Julia hat es geschafft, jeder der Frauen Leben einzuhauchen, ihr eine Geschichte und ein Gesicht zu geben und dabei keine von ihnen zu kurz kommen zu lassen. Wenn man bedenkt, in welch kleinem Rahmen das Buch spielt ist es erstaunlich, wie bunt und lebendig dieses ist. Es gibt nicht das eine große Böse oder das eine alles überstrahlende Gute, vielmehr zeigte sich auf jeder Seite Menschlichkeit, die ich an diesem Buch sehr geliebt habe.

Neben diesen Punkten mochte ich auch die sehr zarten romantischen Gefühle, die sich entspannen und federleicht durch die Seiten wogten. Hier wurde von der Autorin nicht mit der Brechstange eine Romanze heraufbeschwören, sondern sie wurde zart in die Geschichte eingesponnen. Das war einer der Punkte, die ich beim Lesen als unendlich wundervoll empfand und sehr geliebt habe.

In den Gesprächen und Offenbarungen der Frauen erklärte sich ganz langsam und Stück für Stück, wie sie in dieser Nacht zusammenkamen und wie das Schicksal ihre Leben miteinander verband. Mit diesen Rückblicken lernte ich die Frauen näher kennen und sie wurden mir noch sympathischer. Ich hätte nicht darauf verzichten wollen, da sie auch die Geschichte tiefer gehen ließen und sich dadurch zeigte, wie unendlich verschieden die Leben der Frauen verliefen und wie sie an einen Punkt kamen, an dem sie Ihr Leben neu ordnen konnten. Denn nicht nur ich hatte den Eindruck, dass diese Nacht das Versprechen auf eine bessere Zukunft in sich trug. Alles schien möglich und ich habe für die vier Frauen nur das Beste gehofft, deren Vergangenheiten keinesfalls konstruiert wirkten, sondern bei denen ich den Eindruck hatte, dass all die geschilderten Ereignisse und Erlebnisse tatsächlich so stattgefunden haben könnten.

Ohne das Zusammentreffen in dieser Nacht, wäre sicher jede einen anderen Weg gegangen und hätte andere Entscheidungen getroffen. Aber auch durch den Austausch untereinander, kamen andere Blickpunkte auf und das Versprechen auf eine wundervolle Zukunft wogte um die Frauen herum. Ich habe mich beim Lesen sehr wohl gefühlt mit Julias Buch, ihren Protagonistinnen und kann „Gute Nacht, liebe Angst“ absolut weiterempfehlen. In der Zukunft möchte ich gerne weitere Bücher aus ihrer Feder lesen und hoffe, dass mich diese Geschichten dann genauso begeistern, wie es diese tat.

Erscheinungsdatum: 13. Mai 2022
Seitenzahl Taschenbuch: 200