von Ju Hex
Klappentext:
Augen so blau wie das Meer und so tief, dass man sich in ihnen verlieren kann. Levis Augen haben Jonathan den Kopf verdreht und lassen ihn auch zehn Jahre nach ihrer letzten Begegnung nicht los.
Als die beiden Männer durch Zufall wieder aufeinandertreffen, steht zwischen ihnen nicht nur der Ballast ihrer gemeinsamen Vergangenheit, sondern auch der Schatten auf Levis Seele.
Zwischen emotionalen Extremen glaubt Levi, sich eine Mauer aus Stabilität und Routinen aufgebaut zu haben, die Jonathan nun einzureißen droht.
Sich füreinander zu entscheiden könnte sie beide glücklich machen oder alles zerstören, was sie sich in zehn Jahren Funkstille aufgebaut haben.
Es würde bedeuten Vergangenes aufzuarbeiten, eigene Bedürfnisse hinten an zu stellen und ein Leben zwischen Licht und Dunkelheit zu führen.
Eines bedeutet ihr Zusammentreffen aber definitiv: Alles wird sich verändern.
Buchcover: © Ju Hex
Bild: © Buchsüchtig-Queerblog
Meine Meinung:
Schon aus dem Klappentext konnte ich mir zusammenreimen, womit Levi zu kämpfen hat und nach den ersten Seiten erhärtete sich dieser Verdacht. Ob Jonathan davon wusste, weiß ich nicht. Vermutlich nicht. Es ist auch egal, denn Levi hat sich schon in sein Herz geschlichen und besetzt dieses so bedingungslos, dass Jonathan wider besseren Wissens alle Hebel in Bewegung setzt, um Levi wiederzusehen, was ihm erst einmal nur unendliche Grübeleien und Gedanken an die Vergangenheit einbringt. Und eine Zurückweisung Levis, an dessen Gedanken ich das erste Mal in Form eines Gedichtes teilhaben durfte, das mit das Herz zerriss, weil ich seine Gedanken absolut verstehen und nachvollziehen konnte.
Levi warnt Jonathan regelrecht… und doch lässt dieser nicht locker. Es entspinnt sich etwas unendlich Zartes und Vorsichtiges zwischen Ihnen und ich glaube, dass auch nur ein falscher Blick alles zum Einstürzen hätte bringen können. So aber gab es einen winzig kleinen leuchtenden Funken, den Jonathan zwischen sich und Levi entfachte. Und doch habe ich mir wenig Hoffnungen gemacht, denn Levis Gedanken, die immer wieder auftauchen und ungefiltert seinen Gemütszustand, seine Gefühlswelt und seine Ängste und Hoffnungen preisgeben, sprechen eine andere Sprache. Zudem hängt die Vergangenheit wie ein schwarzer Schleier über den beiden und verdunkelt die Gegenwart, da so vieles zwischen ihnen nicht ausgesprochen und geklärt ist. Es sind furchtbare Dinge passiert, die nicht aufgearbeitet wurden, sich nicht ignorieren lassen und allumfassend sind.
Und doch ist da eine Anziehung, die alles andere in den Schatten stellt, die die Zeit still stehen lässt und alles bis auf die Beiden ausblendet und zu einem Nichts schrumpfen lässt. Es gibt eine Szene in einem Autokino, die mich umgehauen hat. Dabei ist an sich nichts passiert, aber die Gefühle waren so überwältigend, haben alles andere vergessen lassen, dass ich mich völlig in den Worten verloren habe. Und diese Stimmung zog sich kontinuierlich durch das gesamte Buch und fesselte mich an die Seiten. Ich habe so sehr für Levi und Jonathan gehofft, dass sich alles zum Guten wendet. Dass sie trotz aller Hindernisse und Probleme Kraft und Mut finden, zueinander zu stehen. Denn sie brauchen einander, um nicht zu zerbrechen und sich dem zu stellen, das alles um sie herum verdunkelt und ein Leben schwieriger und herausfordernder macht.
Die Geschichte hat mir einmal mehr gezeigt, dass wir niemals wissen können, womit Menschen zu kämpfen haben. Nach außen mag alles „normal“ erscheinen, aber meist sind es gerade die glänzenden Schalen, unter denen alles zerbrochen ist und in Trümmern liegt. Wir sehen immer nur winzig kleine Teile des Lebens der Menschen.
Momentaufnahmen, deren Hintergründe wir vermutlich niemals erfahren und die verbergen, welchen Kampf einige Mensch jeden Tag führen um zu funktionieren und „normal“ zu wirken. Und um einem halbwegs „normalem“ Leben nachgehen zu können.
Manchmal sind es gerade die alltäglichen Dinge, die unausführbar sind. Die sich wie ein großer, schwarzer Berg aufbauen und unüberwindlich, bedrohlich alles überschatten. Wie bei Levi, dessen Kampf all seine Energie fordert… All seine Aufmerksamkeit…
Levis Gedanken, die zwischen der eigentlichen Geschichte immer mal wieder einen Einblick in seine Gefühlswelt geben, haben mich zerrissen. Er ist seinen Gefühlen und Gedanken ausgeliefert und schafft es nicht immer, sich ihnen zu entziehen. Wenn es ihm nicht gelingt, drängen sie sich ihm auf, umgeben ihn mit Dunkelheit und Kälte, isolieren ihn, flüstern ihm zu, was niemand hören sollte und ziehen ihn von allem weg, das lichtvoll, leuchtend, warm und lebenswert ist, hin zu Dunkelheit, Kälte, Schmerz, Einsamkeit, Zweifeln, Angst…
In dieser Geschichte zeigte sich auch, dass es gerade die Menschen, die nach außen abweisend und zurückgezogen wirken, sein können, die die meiste Liebe brauchen. Die meiste Aufmerksamkeit. Und dass man niemals alles von einem Menschen sehen kann sondern immer nur soviel, wie dieser Mensch bereit ist uns sehen zu lassen. Man darf immer vorsichtig mit den Menschen umgehen, denn wie leicht sie zerbrechen, kann man von außen nicht erkennen. Manche wirken so stark, so gefestigt und so unerschütterlich und werden doch nur von einem Hauch zusammengehalten, der beim schwächsten Druck nachgegeben kann.
Ich habe das Buch geliebt. Levi und Jonathan sind beide auf ihre Art einzigartig und Ju hat es geschafft, dass die Geschichte nicht im Kitsch versank, auch wenn sie romantisch ist. Die düsteren Seiten nehmen einen Großteil der Geschichte ein und sorgen so dafür, dass ich sie als realistisch empfunden habe. Es gab kein künstliches Drama, sondern einfach nur zwei Menschen, deren Beziehung nicht den rosaroten Wattewölkchenweg geht, sondern jeden Tag aufs Neue erkämpft werden will. Keine leichte und langweilig schöne Geschichte, in der mit wenigen Worten alle Probleme aus der Welt geschaffen werden. Ju hat Levi und Jonathan auf eine Reise geschickt, deren Ausgang ungewiss ist und die mehr beinhaltet, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Es ist vor allem eine Reise zu sich selbst und ein Weg, auf dem viele Fragen gestellt und einige beantwortet werden. Ein ganz wundervolles Buch, dass ich absolut und ohne Zweifel weiterempfehle. Danke, Ju, dass du es geschrieben hast.
Erscheinungsdatum: 8. Juli 2019
Seitenzahl Taschenbuch: 412