von Marcel Hill
Klappentext:
Der Rockstar Doyle Cooper hat eine Handvoll Künstler dazu ausersehen, gemeinsam mit ihm die »Nacht am Genfer See« auferstehen zu lassen. In jener historischen Nacht von 1816 schuf Mary Shelly ihren »Frankenstein« und John Polidori seinen »Vampyr«. In Coopers Villa wird in diesen Stunden alles erlaubt sein, was der Inspiration dient – selbst Folter, Vergewaltigung und Mord. Doch weder Gastgeber noch Gäste ahnen, welches Grauen sie damit heraufbeschwören …
Bild: © Buchsüchtig
Cover: © FSB-Art-Design
Meine Meinung:
Eine eher ungewöhnliche Situation, die sich in diesem Buch auf den ersten Seiten bot. Mit nicht alltäglichen Charakteren, von denen sich mindestens eine scheinbar überschätzt hatte. Allerdings muss ich gestehen, dass der Übergriff des Gastgebers auch etwas zu spontan kam, um noch viel Spielraum für Entscheidungen zu lassen. Überhaupt denke ich, dass bei der ganzen Situation in erster Linie um Entscheidungen, falsche Moral, Neugier und die Auslebung von Fantasien ging, die man sonst vielleicht nicht einmal vor sich selbst eingestehen würde. Das „Motto der Party“ ist nicht zufällig gewählt und kann das Schlimmste in einem Menschen zum Vorschein bringen. Wo es keine Grenzen gibt, löst sich das was von einigen Menschen als Moral bezeichnet wird, sehr schnell in Wohlgefallen auf. Doyle bietet etwas an, das von vielen Menschen vermutlich empört abgelehnt werden würde, obwohl sie seinem Ruf sonst sicher gerne folgen würden. Allerdings denke ich, dass sich die meisten Menschen dabei vermutlich eher selbst im Weg stehen…
Polly, Doyle und Chris schienen mir nicht gerade zartbesaitet zu sein. Ganz anders als Mary und Juliette, wobei mir erstere wirklich leid tat. Nicht unbedingt wegen dem was ihr passierte, sondern vielmehr wegen ihrer Verwirrung danach. Sie wusste, wie sie sich fühlen sollte und trotzdem empfand sie völlig anders und schien damit auch ein wenig überfordert. Wohl eher weil es ungewöhnlich war und weniger, weil sie es so sah. Eine Nacht in der alles möglich ist, kann eben sowohl Gutes wie auch Schlechtes hervorbringen und dabei die Grenzen ineinander fließen lassen. Vor allem aber denke ich, dass sie einen dazu zwingt, über sich selbst und das was man als Moral ansieht, nachzudenken. Für einige Menschen sicher eine schwierige Kiste, mit sich selbst konfrontiert zu werden und über sich selbst nachdenken zu müssen, statt sich abzulenken und das Denken und Handeln anderen zu überlassen.
Die Anwesenheit einer übernatürlichen Macht zeigte sich rasch und forderte schonungslos ihr Recht. Der Tod des ersten Opfers kam für mich sowohl überraschend wie auch schnell und beinahe nüchtern, obwohl dieses Wort der Situation absolut widerspricht. Ich vermute, dass es auch diese Macht war, die Dinge geschehen ließ, die sich keiner der Anwesenden vorstellen konnte. Sie wissen, dass alles erlaubt ist, es keine Regeln gibt und trotzdem gab es Menschen die schockiert, ja entsetzt waren, als Personen genau das taten wofür sie dort waren. Sie brachen Regeln, setzten sich über gesellschaftlich anerkannte Grenzen der Moral hinweg und taten damit genau das, wofür diese Nacht ausgelegt war. Mich amüsierte es. Weniger das wie und was, sondern vielmehr die Reaktionen darauf. Warum dieser Schock, wenn es doch keine Regeln gibt? Wo es sie nicht gibt, kann es auch keine Überschreitung derselben geben und folglich gibt es auch kein Richtig und kein Falsch. Alles ist einfach, wie es ist. Aber Menschen überschätzen sich gerne mal und ich denke auch, dass viele von ihnen engeren moralischen und gesellschaftlichen Grenzen folgen, als sie es sich selbst eingestehen können oder wollen.
Marcel hat mit diesem Buch tief im moralischen Dreck gewühlt und dabei einiges zutage gefördert, was ganz sicher in der einen oder anderen Form in jedem von uns schlummert. Zeitweilig fühlte ich mich an das Stanford-Experiment erinnert, obwohl die Ausgangssituation eine völlig andere war. Ich empfehle dieses Buch gerne weiter, denn mich unterhielt es sehr gut und es ist so weit weg von gängigen Themen die im Großteil der queeren Bücher behandelt werden, dass es dadurch besonders wird.
Erscheinungsdatum: 21. Mai 2022
Seitenzahl Taschenbuch: 84